Dein Wille geschehe

„Dein Wille geschehe“ (Ainsi soient-ils, 2012 – 2015) ist eine französische Serie, die in drei Staffeln mit je acht Folgen das Leben fünf junger Männer in einem (fiktionalen) Priesterseminar, ihren Weg zur Entscheidung und ihre Auseinandersetzung mit ihrem Glauben und der Kirche zum Thema hat. Wenn man großzügig über einige inhaltliche Mängel – die zum Teil auch der deutschen Übersetzung geschuldet sind – hinwegsieht, zeigt die Serie die ganze Bandbreite dessen, was Kirche sein kann und welche Herausforderungen es für jeden Christen und speziell für angehende Priester ist, den Glauben authentisch, überzeugend und mit einem inneren Gleichgewicht zu leben und zu verkünden. Die Schwäche, die „Dein Wille geschehe“ zweifellos hat, nämlich viele Themen aufzunehmen, sie aber meistens nur anzureißen und nicht zu Ende zu führen, ist gleichzeitig auch ihre Stärke. Sie hinterlässt den Zuschauer mit vielen Fragen, die zum eigenen Nachdenken und Hinterfragen der eigenen Position anregen. Das zentrale Thema ist die Entscheidung, eine Thema mit dem nicht nur Priesteramtsanwärter konfrontiert sind, sondern jede und jeder von uns, in allen Lebensphasen.

Die fünf jungen Männer, die Priester werden wollen, stehen prototypisch für die vielen Wege, die zu Gott führen – oder auch von ihm weg: Yann, der aus gut katholischem Elternhaus stammt, Pfadfinder ist, auf einer katholischen Schule war und dessen Weg vorgezeichnet scheint. Guillaume, ehemaliger Sozialarbeiter, homosexuell, mit einem guten Herz, aber wenig Mut zur Entscheidung. Raphaël, aus reichem Elternhaus, hat die vorgezeichnete Karriere im väterlichen Konzern ausgeschlagen und wäre bei den Karmelitern eigentlich am glücklichsten und landet dann doch im Zentrum der Macht, in Rom. Emmanuel, erfolgreicher Archäologe, homosexuell, verzweifelt fast an den Zwiespältigkeiten seines Lebens bis er sich endlich entscheidet, das Seminar zu verlassen. José saß acht Jahre wegen eines Mordes im Gefängnis, hat kurz nach dem Mord zum ersten Mal Gott gespürt und beschäftigt sich seitdem intensiv mit der Bibel und anderen Schriften, neigt aber immer wieder zu Extremen und alten Verhaltensmustern.

Die aus meiner Sicht stärksten Figuren sind Yann und José, deren Lebenswege kaum unterschiedlicher sein könnten. Yann, der Jüngste der fünf, ist am Anfang noch reichlich idealistisch und naiv, die Konfrontation mit dem „wirklichen“ Leben – in Gestalt einer jungen Frau oder fragwürdigen Aktionen seiner Kollegen – bereitet ihm anfangs großes Unbehagen. Aber er stellt sich den Auseinandersetzungen, seinen Zweifeln und seinen Gefühlen, er bezieht Position. Er stellt fest „meine Entscheidung war gar keine Entscheidung“, weil sein Weg von Anfang an vorgezeichnet war. Seine Stärke ist es, sich im Laufe der Zeit im Seminar wirklich zu entscheiden, erwachsen zu werden, auch im Glauben. Yann hat ein gutes Gespür für die Menschen und ist hilfsbereit, lernt aber auch hier Grenzen zu setzen.

José, aus schwierigen Familienverhältnissen stammend, wird zu Anfang der Serie aus dem Gefängnis entlassen und bewirbt sich bei verschiedenen Seminaren, wird aber überall abgelehnt. Nur der Prior Etienne Fromanger des renommierten Pariser Kapuzinerseminars sieht in ihm einen geeigneten Kandidaten und nimmt ihn an. Seine Herkunft und seine Schuldgefühle wegen seiner Vergangenheit machen es ihm nicht leicht, sich zu integrieren. José liest viel und redet wenig, aber wenn er redet, hat es Substanz. Er setzt sich vehement für andere Menschen und die Gerechtigkeit ein, schießt damit allerdings immer wieder über das Ziel hinaus. Er findet im Laufe der Serie immer mehr zu seiner Mitte und eine Balance zwischen seinem fast zwanghaften Drang nach Wiedergutmachung für seine Tat und der Seelsorge für die Menschen. José schafft es, seine Vergangenheit und seine Schuld anzunehmen und gewinnt daraus die Stärke für sein Priesteramt.

Dagegen bleiben Guillaume und Raphaël als Figuren blass. Eine Entscheidung ist bei Guillaume nicht zu erkennen, er schwimmt immer im Strom, zumindest nach außen, führt aber am Ende ein Doppelleben als Priester in einer homosexuellen Beziehung mit Emmanuel. Er wird aber weder der Beziehung noch seinem Priesteramt gerecht, ist im Grunde unglücklich, hat aber nicht den Mut, sich für das eine oder das andere zu entscheiden. Ähnlich ergeht es Raphaël, der letztlich das tut, was von ihm verlangt wird und der sich in die Machtspiele und Intrigen bei der französischen Bischofskonferenz hineinziehen lässt. Er, der mit diesen weltlichen Mechanismen von Macht und Geld gerade nichts mehr zu tun haben wollte und am liebsten zu den Karmelitern – einem klausurierten Orden – gegangen wäre, bleibt gehorsam und folgt nicht seinem Herzen.

Die Serie nimmt auch die Kirche als Ganzes kritisch in den Blick, wertfrei, aber wohl realistisch. Die Arbeit in der französischen Bischofskonferenz ist geprägt von Finanzschwierigkeiten, Intrigen, Machtspielchen, Profilierungssucht. Auch der alternde Papst ist nur ein Spielball zwischen den konservativen und progressiven Kräften in der Kurie. Yann deckt an seiner ersten Pfarrstelle den sexuellen Missbrauch an Kindern auf und ist fassungslos, dass nach seiner Mitteilung an seinen Vorgesetzten lange nichts unternommen wird, um aufzuklären und die Kinder zu schützen. Die jungen Priester müssen sich in der dritten Staffel mit desillusionierten Pfarrern auseinandersetzen, die den Bezug zu ihrer Gemeinde längst verloren haben.

Wer in der katholischen Kirche engagiert ist, wird sich in vielem, das in der Serie an- und ausgesprochen wird, wiederfinden. Wohin wird die Kirche gehen? Etienne Fromanger, der Prior des Seminars erkennt es sehr deutlich: „ Die Welt ändert sich. Wenn wir sie nicht mehr verstehen, werden wir uns auflösen.“

„Dein Wille geschehe“, bis 14. Juni 2021 in der arte Mediathek.

https://www.arte.tv/de/videos/RC-019561/dein-wille-geschehe/


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