Mein Traum von Kirche

Unsortiert, unkommentiert, unvollständig

Der Glaube an Gott ist Grundlage unseres Handelns.

Wir glauben an die Kraft der Sakramente.

Bei den Sakramenten steht das Bedürfnis des Menschen nach diesem Sakrament im Vordergrund, nicht seine formale Disposition, die ihm Zugang dazu gewährt oder auch nicht.

Im Vordergrund steht der Mensch mit all seinen Stärken und Schwächen.

Alle sind willkommen und werden ernst genommen.

Wir haben den Mut zur Veränderung.

Die Botschaft der Kirche ist eine frohe Botschaft.

Wir werden als Christen als aufrichtige und authentische Menschen wahrgenommen.

Wir reden miteinander, statt übereinander.

Wir halten andere Meinungen aus.

Wir hören aktiv zu.

Wir können auch schweigen.

Wir sind eine empathische Kirche.

Regeln sind nur der Rahmen und nicht Selbstzweck.

Traditionen sind wichtige Ankerpunkte für den Einzelnen und die Kirche als Ganzes, aber werden nicht absolut gesetzt.

Innerkirchliche Debatten bleiben innerkirchlich und werden nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen.

Jede(r) kann sich mit seinem/ihrem Charisma einbringen.

Das Wort „Macht“ spielt keine Rolle mehr, wenn wir über Kirche reden.

Es ist kompliziert – die Kirche und ich

Die katholische Kirche und ich, das ist seit längerem ein kompliziertes Verhältnis. Es gibt so vieles, was ich dazu aufschreiben kann und vielleicht werden aus diesem Thema mehrere Blogbeiträge. Derzeit ist von meiner Seite das Verhältnis eher kühl und dementsprechend wenig bin ich in der Pfarrei engagiert. Eigentlich bin ich ganz froh, dass bis auf Gottesdienste keine weiteren Veranstaltungen stattfinden und ich eine Zeit lang auf Distanz gehen kann, um mir zu überlegen, wie es für mich mit der Kirche weitergehen soll.

Mein Vertrauen in die Institution Kirche wurde schon durch die Missbrauchsfälle und deren schleppende Aufklärung erschüttert, der Schutz der Institution war und ist in vielen Fällen wichtiger gewesen als der Schutz der betroffenen Menschen. Auch wenn sich bislang einiges in der Prävention getan hat und redlich versucht wird, Missbrauch so weit wie irgend möglich zu verhindern, bleibt doch immer das Gefühl zurück, dass diese Maßnahmen nicht reichen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Bislang konnte ich dieses Gefühl nicht richtig in Worte fassen, doch die heutige persönliche Erklärung von Kardinal Marx zu seinem Rücktrittsgesuch an den Papst hat das getan:

„Diese Krise berührt nicht nur das Feld einer notwendigen Verbesserung der Administration – das auch –, es geht mehr noch um die Frage nach einer erneuerten Gestalt der Kirche und einer neuen Weise, heute den Glauben zu leben und zu verkünden. Und ich fragte mich: Was bedeutet das für dich persönlich?“

Persönliche Erklärung von Reinhard Kardinal Marx am 4. Juni 2021

Ich bin ehrlich beeindruckt, dass Kardinal Marx diesen Schritt geht und halte ihn für richtig, gleichzeitig bedauere ich ihn, denn er ist einer der Bischöfe in Deutschland, der erkannt hat, dass sich die Kirche ändern muss, dass ein „Weiter so“ die Kirche in die Bedeutungslosigkeit führen wird. Kardinal Marx geht den schmerzhaften Weg des Schuldeingeständnisses, als Vertreter einer Institution und als Christ. Ist das nicht ein auch ein Glaubenszeugnis, Schuld einzugestehen? Nur so kann doch Versöhnung erst möglich werden. Konzepte zur Missbrauchsprävention zu erarbeiten, mit den betroffenen Menschen zu reden und sie zu entschädigen und die Aufarbeitung dieser Taten voranzutreiben, ist zweifellos wichtig, aber das ist, wie Kardinal Marx heute sagte, ein administrativer und juristischer Umgang mit den Missbrauchsfällen. Die andere Seite ist die Sünde gegenüber den Menschen und letztlich gegenüber Gott. Diese Sünde kann nicht mit Geld oder bloßen Worten des Bedauerns, ohne persönliche Konsequenzen weggewaschen werden. Hier braucht es ehrliche Reue und den Willen zur Umkehr und Neuorientierung. Das hat Kardinal Marx heute vorgemacht und das finde ich bemerkenswert.

Zugleich habe ich Sorge, dass durch den (voraussichtlichen) Rücktritt von Kardinal Marx die Gläubigen, die sich Reformen wünschen, einen wichtigen Fürsprecher und Mitstreiter verlieren und die beharrenden Kräfte wieder Oberhand gewinnen. Die zarten Schritte in eine neue Zukunft drohen stehenzubleiben. Ich bin gespannt, eher angespannt, wer ihm als Erzbischof von München und Freising nachfolgen wird.

Diese beharrenden Kräfte haben auch dafür gesorgt, mich noch mehr zu erschüttern als ich es von der Missbrauchskrise sowieso schon war. Das Verbot der Segnung homosexueller Paare hat mir, wie so vielen, den Boden unter den Füßen weggezogen. Um einen Segen zu erhalten, braucht es doch keine besondere Disposition, keine Voraussetzung, die irgendwelchen Normen des Kirchenrechts entspricht. Wer um den Segen bittet, bekommt ihn. So einfach ist das doch. Dass man darüber diskutieren kann und will, rüttelt für mich an den Fundamenten unseres Glaubens. Jesus hat sich doch aller Menschen angenommen und das ist auch unser Auftrag als Christen. Der Segen, im wörtlichen (lateinischen) Sinn jemanden etwas Gutes zuzusprechen, ist doch kein Mittel des Urteils über die Lebensweise der Menschen. Bei Tieren, Häusern und Motorrädern fragt ja auch keiner danach, die werden einfach gesegnet.

Auch hier sehe ich wieder die Kräfte am Werk, denen der Schutz der Institution und deren Lehre wichtiger ist, als das Evangelium. Wollen wir wirklich soviel Zeit damit verbringen, über Strukturen, Ämter und Macht zu diskutieren und das Bild eines zerstrittenen Haufens abgeben, der sich in Diskussionen verstrickt, die jedem weltlichen Unternehmen „würdig“ wären? Natürlich muss auch darüber gesprochen werden, keine Frage, aber unsere Kernkompetenzen, der Glaube, die Liebe und die Hoffnung kommen in den letzten Jahren nur am Rande vor. Oder wie es Erzbischof Cristóbal López aus Marokko treffend sagte:

„Es gibt Orte, an denen es viel Kirche und wenig Reich (Gottes) gibt.“

https://www.katholisch.de/artikel/29922-kardinal-mancherorts-gibt-es-viel-kirche-aber-wenig-reich-gottes

Insofern bin ich Kardinal Marx auch dankbar für seine geistliche Begründung seines Rücktrittsgesuchs. „Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es erhalten.“ (Lk, 17,33), sagte er. Nur so können wir als Kirche wieder glaubwürdig werden, wenn die Botschaft und unser Handeln übereinstimmen, wenn wir uns – in einem positiven Sinn – von der Welt unterscheiden. Sein Rücktritt gibt mir eine kleine Hoffnung zurück, dass zumindest ihm die Institution Kirche und ihre Botschaft wichtiger sind als persönliche Eitelkeiten. Mich stimmte es auch trotz aller Erschütterung und fast schon Verzweiflung nach der Entscheidung aus dem Vatikan zuversichtlicher, dass viele Bischöfe über dieses Schreiben fassungslos waren. Es fällt mir nicht leicht, mich aus der Kirche zurückzuziehen, weil ich grundsätzlich die christliche Botschaft leben und vermitteln will, aber derzeit fehlt mir die Kraft und die Überzeugung für die katholische Kirche einzustehen. Dazu sind für mich die Vorkommnisse und Entscheidungen der letzten Monate und Jahre – in der Weltkirche, aber auch in der Ortskirche – zu gravierend und fundamental, um sie wegerklären oder tolerieren zu können. Ich hoffe, eines Tages diese Überzeugung wieder zu haben und wünsche es mir. Derweil werde ich darüber mit Kardinal Marx darüber nachdenken, was eine erneuerte Kirche für mich persönlich bedeutet.

Wende dein Gesicht der Sonne zu …

…, dann fallen die Schatten hinter dich. Dieses afrikanische Sprichwort hat der Autor Obiora Ike für sein Buch gewählt. Er ist katholischer Priester aus Nigeria, der in Deutschland studiert hat. Heute ist er Generalvikar einer Diözese in Nigeria, Hochschulprofessor und Kämpfer für die Menschenrechte.
Dieses Buch habe ich fast in einem Rutsch durchgelesen und ich bin sicher, ich werde es immer wieder zur Hand nehmen. Es ist die Sicht eines Afrikaners auf Deutschland und der Deutschland liebt wie seine Heimat.
Dieses Buch ist ein Plädoyer – ein Plädoyer an uns Deutsche, uns wieder auf unsere Tugenden und unsere Schätze zu besinnen und gleichzeitig ein bisschen afrikanischer zu werden.
Ein Plädoyer gegen den Relativismus, gegen den Egal-ismus und eines dafür, Position zu beziehen, in weltlichen und christlichen Fragen.
Es ist ein Plädoyer für Gott und den Glauben an ihn. Und dafür, ihn wieder in unser Leben zu lassen.
Es ist ein Plädoyer gegen die „German Angst“(*) und für mehr Vertrauen – zu Gott und den Menschen.
Das Buch ist ein Plädoyer gegen die Einsamkeit und eines für mehr Beziehung.
Kurz: Dieses Buch ist eine Predigt auf 269 Seiten, nicht nur für Christen, nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen, denen es nicht egal ist, was in der Welt, in ihrem Land, in ihrer Nachbarschaft, in ihrer Familie geschieht.

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(*) Diesen Ausdruck gibt es im Englischen tatsächlich und beschreibt die eher abstrakte Angst, die sich nicht auf eine bestimmte Sache bezieht, sondern mehr eine allgemeine Lebensangst. Sollte uns das nicht zu denken geben?