Geschichte einer deutschen Familie
So lautet der Untertitel des Buches „Meines Vaters Land“ von Wibke Bruhns. Ich habe es gerade zu Ende gelesen und stehe noch ganz unter dem Eindruck dieses bewegenden, interessanten und spannenden Buches.
Der Vater von Wibke Bruhns, Hans Georg Klamroth, wurde als Mitwisser des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 hingerichtet. Seine jüngste Tochter Wibke war damals knapp 6 Jahre alt. Sie hat keine Erinnerungen an ihn, da er während des Krieges kaum zu Hause in Halberstadt war. Sie vermisste ihn auch nie, bis sie eines Tages Filmaufnahmen von ihm bei seinem Prozess sieht. Sie schreibt: „Aber ich erkenne mich in ihm – seine Augen sind meine Augen.“ Daraus entspringt der Entschluss, ihrem Vater näher zu kommen, sich um ihn zu kümmern, wie sie es nennt.
Es entsteht eine Familiengeschichte, die vom Aufstieg und Fall der Firma und der Familie erzählt, von den täglichen Sorgen und Freuden. Das Buch ist aber auch der Versuch, den Vater und auch die Mutter zu verstehen, die Mitglied der Partei waren, anfangs zumindest auch glühende Anhänger Hitlers. Sie versucht aus den vielen Briefen herauszulesen, warum ihr Vater erst sehr spät Zweifel bekommt, warum er im 1. Weltkrieg voller Begeisterung Soldat war. Warum er gegenüber der Judenverfolgung so gleichgültig war. Nicht immer findet sie eine Antwort darauf.
Was mich am meisten bewegt hat, war die Leistung ein Buch zu schreiben, das die Geschichte von gut 100 Jahren mit journalistischer Distanz erzählt und gleichzeitig ein doch sehr persönliches Buch ist. Wibke Bruhns wahrt die Distanz zu ihrem Vater und kommt ihm doch sehr nahe. Sie stellt ihn auf kein Podest, weil er als Mitwisser hingerichtet wurde, sondern setzt sich sehr kritisch mit ihm auseinander. Oft kommentiert sie z. B. seine Briefe mit „Der spinnt!“.
Ich kann dieses Buch also nur wärmstens empfehlen, selten habe ich ein „Geschichtsbuch“ gelesen, das ich fast nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Zum Abschluss noch ein Zitat aus dem letzten Kapitel: „Dein Leben lag in einer fürchterlichen Zeit, und wenn es denn für die Kinder besser werden sollte, das ist gelungen. Du hast den Blutzoll bezahlt, den ich nicht mehr entrichten muß. Ich habe von dir gelernt, wovor ich mich zu hüten habe. Dafür ist ein Vater da, nicht wahr? Ich danke dir.“