Aequitas bedeutet Gelassenheit. Eine Gemütsverfassung die durchaus erstrebenswert, aber nicht leicht zu erreichen ist. Gelassenheit ist die Kunst, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, etwas auch mal sein zu lassen, zu akzeptieren. Wer gelassen ist, entscheidet ruhig und unvoreingenommen. Ich arbeite daran …
Laut Sprachforschung bedeutet der mittelhochdeutsche Ausdruck gelāʒen sich niederlassen, sich gottergeben. In dieser ursprünglichen Bedeutung liegt der zweite Grund, warum ich diesen Begriff gewählt habe. Meister Eckhart, der große Mystiker des Mittelalters, verwendet ihn in seinen „Reden der Unterweisung“, in einem weiter gefassten, theologischen Sinn. 1
Vor allem, er soll sich selber lassen, so hat er alle Dinge gelassen. Wahrlich, ließe ein Mensch ein Königreich, ja, die ganze Welt und behielte doch sich selber, so hätte er nichts gelassen. Gibt er aber sich selber auf – er mag dann behalten was er will, es sei Reichtum oder Ehre oder was es sei, er hat doch alles aufgegeben.
Meister Eckhart, Reden der Unterweisung, 3
Meister Eckhart beschreibt hier ein typisches Motiv christlicher Mystik: Die Aufgabe des Eigenwillens, um so ganz frei zu sein für Gott. Der Mensch soll sich und die Dinge ganz lassen, ge-lassen sein, um ganz offen zu sein für Gott. In dieser Offenheit ist es für den glaubenden Menschen nicht das Wichtigste, möglichst viel zu beten und das nur in der Kirche, denn Gott ist immer in ihm und ihr.
Mit wem es aber recht steht, der hat Gott in Wahrheit bei sich. Wer aber Gott recht so in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Orten und auf der Straße und bei allen Leuten geradeso wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle. (…) Der Mensch soll Gott erleben in allen Dingen und soll sein Gemüt gewöhnen, daß er allzeit Gott gegenwärtig habe in seinem Sinne, in Meinung und Minne. Hab acht, wie du nach deinem Gotte trachtest, so du in der Kirche bist oder in der Zelle: dieses selbe Gemüt behalte und trage es unter die Menge und in die Unruh und in eine fremde Welt.
Meister Eckhart, Reden der Unterweisung, 6
Es kommt Meister Eckhart also nicht auf ein „Abarbeiten“ von Gebeten und Ritualen an, um Gott nah zu sein, sondern um eine Bereitschaft Gott in sich wohnen und sich von ihm ergreifen zu lassen. Dann wird Gott auch in unserem alltäglichen Handeln sichtbar. Ich arbeite auch daran …
Hier könnt ihr die Reden nachlesen: https://www.meister-eckhart-erfurt.de/texte/reden-der-unterweisung
1 Meister Eckhart gilt übrigens als Schöpfer dieses Begriffes, er musste wie viele mittelalterliche Mystiker und Mystikerinnen, die in der Landesprache schrieben, neue Worte finden, um die eigentlich unaussprechliche Erfahrung der Gottesschau in Worte zu fassen. Die Bildung von Abstrakta mit der Endung -heit oder -keit sind zum Beispiel eine Erfindung dieser Menschen.